Ende: Verdammt!

Jetzt ist es also passiert, der Alltagstrott hat mich irgendwann im Laufe des letzten Monats voll erwischt. Ich mag Zhuhai mittlerweile echt gern, vom Klima einmal abgesehen.(Genauso feucht wie vorher, aber jetzt bei locker 35 °C). Aber ohne es wirklich zu merken, habe ich mich an China gewöhnt. Von der faszinierenden Stadt, in der es an jeder Ecke was zu entecken gab, ist etwas normaleres und etwas alltägliches übrig geblieben.

Mich schockt hier nichts mehr: Eine Großfamilie mit Gepäck auf einem Mofa? Erst ab 5 Menschen aufwärts interessant. Entenköpfe auf meinem Teller? Hatte ich, schmeckt wie Hähnchen mit weniger Fleisch. Gefährlicher Verkehr? Todesblick & etwas Mut machen mir die Stadt untertan!

Gleichzeitig leidet der Blog darunter, wenn ich mich in Alltag und Arbeit vergesse, mea culpa! Zumindest ein letztes Mal wollte ich mich hier deshalb noch melden, ehe es in der nächsten Woche zurück nach Deutschland geht. Erschreckend, wie schnell drei Monate verstreichen können.

Urlaub

Heute gibt es also einen kleinen Mischmasch aus Themen, fangen wir mal mit der Chronologie an: Neben dem Praktikum bleibt nicht zuletzt auch dank rücksichtsvoller Chefs ein wenig Zeit, herumzureisen und sich das Land anzugucken. In den letzten Wochen war ich unter anderem in Zhangjiajie (dessen Schreibweise ich mir vermutlich nie merken kann), in Xi’an sowie in Peking. Alles interessante, sehr unterschiedliche Städte.

In Zhangjiajie findet sich ein Nationalpark mit sehr berühmten Felsen, unter anderem Avatar wurde hier gedreht. Man kann in dem Park mehrere Tage verbringen und sich die Beine wundlaufen, die Treppenkletterpartien lohnen sich aber sehr:

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Am ersten Tag hatten wir glücklicherweise schlechtes Wetter mit Nebel und Regen!

Aufpassen muss man im Park jedoch auf frei herumlaufende Affen, die einem gerne mal Essen oder Krimskrams stehlen wollen und generell alles andere als handzahm sind. Trotzdem lohnt es sich sehr, solange man nicht gerade in einem Pulk aus Reisegruppenteilnehmern ist und vor lauter Selfiesticks nichts mehr sieht.

Peking war ein Erlebnis für sich (Die Bilder schlummern leider noch auf der Kamera). Zunächst einmal war ich überrascht, wie klein die Stadt wirkt, von den 20 Millionen Einwohnern merkt man kaum etwas. Unser Hostel lag mitten im Zentrum, die Gebäude dort sind alle sehr flach und es herrscht, von den Touristen einmal abgesehen, beinahe Kleinstadtatmosphäre. Selbst der Verkehr war deutlich ruhiger, gefühlt wird dort nur sehr selten gehupt (also nur alle 2 Minuten). Außerdem ist das U-Bahnnetz sehr gut, man kommt für wenig Geld überall hin und kann sogar den Luxus verständlicher Schilder in englischer Sprache genießen!

Vom Programm her haben wir in der Hauptstadt die Tourisachen erschlagen: Große Mauer, verbotene Stadt, Sommerpalast. Alles durchaus spannend und lohnenswert, allerdings habe ich mich irgendwann an all den alten Tempeln satt gesehen. Die Eintritte sind überall sehr günstig gewesen, selbst mein komischer Wisch von einem Studentenausweis wurde fraglos akzeptiert, das ist sonst eine absolute Ausnahme. Trotz des touristischen Anstrichs war Peking aber mein Highlight der besuchten Orte. Die Stadt hat eine besondere Atmosphäre, ich scheitere gerade nur kläglich daran, das zu beschreiben. Fahrt selbst mal hin!

Xi’an war dann der letzte Ort, den wir besucht haben. Hier findet sich die berühmte Terracottaarmee, die sich ein Kaiser mit in sein Grab genommen hat. Die Armee an sich ist interessant und faszinierend detailreich, kein Krieger gleicht dem anderen. Den größten Eindruck hat aber ein Kino bei mir hinterlassen.

Auf dem Gelände gab es einen runden Saal, in dem eine Dokumentation zu der Armee in Dauerschleife lief. Der Saal ist kreisrund und besitzt kein richtiges „Vorne“, da sich im Kreis angeordnet gut ein Dutzend Leinwände befinden, die alle von einem eigenen Projektor bestrahlt werden. Der eigentliche Film ist in einer Art Panoramaformat gedreht, das sich auf diese Leinwände verteilt, sodass so etwas wie eine Rundumsicht möglich wird. Das klingt jetzt vermutlich hochmodern, das Gegenteil ist jedoch der Fall. Der Film läuft in der Form vermutlich schon seit 30 Jahren, denn manche der Leinwände waren kaputt, einzelne Projektoren hatten vertauschte Filme, Bildfehler oder ratterten besonders laut. Dazu kam die Stimme des Sprechers, der in einem herrischen englischen Tonfall die Geschichte der Armee erzählt hat. Die Vorführung hat mit ihren Macken und Eigenarten etwas schwer einzuordnendes an sich gehabt und auf mich einen unwirklichen, fast unheimlichen Eindruck gemacht, der mich stark fasziniert hat.

Falls ihr in China fliegen wollt,  solltet ihr euch übrigens auf Wartezeiten einstellen. Von den sechs Flügen, die ich hier im Inland gemacht habe, haben ganze zwei ihre Zeiten eingehalten! Besonders schön ist das, wenn man drei Tage Programm in Peking hat und in der ersten Nacht um 5 statt um 24 Uhr ankommt.

Klischees

Aber genug Geschichten, ein Thema wollte ich hier auch noch kurz aufgreifen. Bevor ich nach China gekommen bin, habe ich eine Menge über die Chinesen gehört, mit teilweise abstrusen Ratschlägen („Die Chinesen sind sehr familienverbunden, am besten du erzählst immer allen, wie gern du deine Familie hast!“).

Insgesamt habe ich so eine bestimmte Vorstellung von China bekommen, die sich nun, da ich schon einige Zeit hier bin, in ein realistischeres Bild gewandelt hat. Lest die folgenden Absätze aber bitte nicht als „Das ist so!“. China ist gewaltig groß (ist so! Man fliegt 5 Stunden nach Peking und ist nicht mal halb durchs Land!) und ich habe jetzt vielleicht mit 100 verschiedenen Menschen gesprochen und Dinge gesehen, die sicherlich nicht immer auf den Rest des Landes übertragbar sind.

Fangen wir am besten gleich mit der Familie an. In meinem ersten Beitrag hatte ich schon beschrieben, wie liebevoll hier größtenteils der Umgang mit Kindern in der Öffentlichkeit ist, das hat sich weitestgehend bestätigt. Kinder werden nicht als störend wahrgenommen, oder sind insgesamt einfach besser erzogen? Schwer zu sagen. Jedenfalls sieht man häufig fröhlich spielende Kinder, ohne dass sich jemand echauffiert, wie es in Deutschland häufig der Fall ist. Gleichzeitig haben viele Eltern auch ein ausgeprägtes Leistungsbewusstsein und treiben ihre Kinder schon sehr früh dazu an beispielsweise Musikunterricht zu nehmen. Beim abendlichen Flanieren durch manche Straßen lassen sich hier und da kleine Ballettsäle oder Musikzimmer finden, in denen fleißig trainiert wird. Die Kinder würde ich auf drei bis fünf Jahre schätzen, also ein Alter, bei dem in Deutschland höchstens im Sandkasten getanzt wird. Die Mütter saßen übrigens jedes Mal im jeweiligen Vorzimmer und waren in Bücher und Smartphones (eher Smartphones) vertieft.

Mit dem Erwachsenwerden ändert sich dann so einiges. Anders als in Deutschland ist es hier gang und gäbe, dass die Eltern einen starken Einfluss auf die Beziehungen ihrer Kinder haben. Meiner chinesischen Mitpraktikantin wurde von ihrer Mutter kürzlich der Sohn eines Freundes als möglicher Kandidat vorgeschlagen, der sei schließlich sehr nett und würde gerade auch in Amerika studieren. Sie ist da glücklicherweise sehr unabhängig und nimmt das nicht allzu ernst, insgesamt ist ein ähnliches verhalten in China aber wohl weit verbreitet, auch von den Eltern arrangierte Rendezvous sind keine Seltenheit.

Vor meinem Flug wurde oft betont, wie übertrieben freundlich die Chinesen doch seien. Das muss ich stark relativieren. Meinem Gefühl nach unterscheiden sich Chinesen und Deutsche nicht sehr, was die Höflichkeit angeht. Betrunkene Pöbler findet man daheim wohl mehr, dafür ist es in chinesischen Restaurants teilweise absurd laut. Im Umgang sind die meisten Chinesen offen und freundlich, aber genau wie daheim gibt es hier Menschen, die etwas zurückhaltender oder distanzierter reagieren. Allerdings genießt man als Europäer hier „Langnasenbonus“. Durch mein europäisches Aussehen falle ich hier stark auf, zu meiner Überraschung sind die Reaktionen aber durchweg sehr freundlich. Europäer und Amerikaner genießen einen sehr guten Ruf und werden meist sehr höflich und zuvorkommend behandelt, woran man sich durchaus gewöhnen kann. Bestes Beispiel: Wenn ich hier meinen Führerschein zeige, mit einem uralten Bild mit langen Haaren, ernte ich hier Kommentare, dass ich ja sehr gut aussehe, wie ein Rockstar oder so (Wirklich wahr!) – Zuhause dient das eher der Belustigung auf Parties.

 

Ein Klischee, was sich wohl am ehesten bestätigt, betrifft die chinesische Esskultur. Die erste Regel beim Essen in China: Es gibt keine Regeln! So ungefähr hat man mir erklärt, wie das Essen hier funktioniert. Und tatsächlich, wer „deutsche“ Essgewohnheiten hat, wird schnell feststellen, dass hier Anarchie herrscht. Wie das Essen in den Mund kommt, ist eher nebensächlich. Schlürfen, Schmatzen, Geräusche machen? Aber klar! Das Chaos zieht sich dabei durch den gesamten Vorgang. Ein großer Unterschied besteht auch in der Aufteilung der Gerichte. Während man daheim pro Person ein Gericht bestellt, wird hier oft ein Haufen verschiedener Sachen bestellt, durch die man sich dann gemeinsam durchfuttert. Das ist ungewöhnlich, funktioniert aber erstaunlich gut und hat den Vorteil, dass man sich überall mal durchprobieren kann. Sehr sympathisch!

Was ich hier aber vermisse ist deftige, herzhafte Küche sowie Salz. Hier in Südchina gibt es viel ölig gebratenes Essen sowie ungesalzene Nudeln, was ich mittlerweile etwas eintönig finde. Aber die zwei Wochen schaffe ich noch!

 

Na toll, jetzt komme ich hungrig ins Bett. Hier endet der Blog jedoch, sollte mir nichts wahnsinnig Wichtiges mehr einfallen, war es das. Alles übrige erzähle ich mal live oder bei anderen Gelegenheiten. Vielen Dank fürs Mitlesen und bis dann in Deutschland!

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