Update: Odysseen und Infrastrukturapokalypse

So, zwei Wochen sind einmal mehr wie im Flug vergangen. Mittlerweile habe ich mich hier durchaus eingelebt und möchte heute gerne einmal relativ ungeordnet von den letzten Ereignissen zu erzählen.

Wir sind mittlerweile aus dem Hotel in ein Apartment gezogen, wo uns zunächst die chinesische Vorstellung von Sauberkeit milde überrascht hat. Wer mich kennt, weiß, dass ich in Sachen Ordnung durchaus kompromissbereit bin. Das Apartment war jedoch schmutzig und voller Staub, nach dem Öffnen des Küchenschranks hat uns auch ein Mitbewohner in Form einer Kakerlake Guten Tag gesagt. Gleichzeitig haben noch eine Menge Sachen gefehlt, Bettwäsche, Geschirr usw.. Glücklicherweise ist unsere Vermieterin jedoch sehr freundlich, eine ältere, sehr freundliche Frau mit einer Menge Energie und Herzlichkeit. Und sogar ein wenig Englisch konnte sie!

Also sind wir am gleichen Tag noch mit ihr und ihrem Mann in einem winzigen VW Polo zur Einkaufsmeile gefahren und haben das nötigste besorgt. Den chinesischen Verkäuferinnen zu erklären, was ein Bettbezug ist, war alles andere als einfach. Anschließend kam ihre Tochter vorbei und hat mit uns zusammen die Wohnung geputzt, sodass es hier nun gut auszuhalten ist. Selbst Internet und Fernseher haben wir, Luxus!

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Apropos Luxus: Die Chinesen scheinen harte Betten zu bevorzugen, dieses Brett lag bei mir zwischen Lattenrost und Matraze

Die letzte Woche stand dann ganz im Zeichen der Logistik. Mein erstes Problem bestand darin, dass ich der naiven Vorstellung erlegen bin, hier ohne weiteres einen Brief abschicken zu können. Zu meinem Pech sind die Chinesen in der Hinsicht sehr modern, Briefkästen gibt es nämlich nicht. Als ich erklärt habe, was ich vorhabe, wurde ich erstmal verwirrt angeguckt – seit der Erfindung der Email versteht hier niemand mehr, wozu man handgeschriebene Sachen verschicken sollte. Auch in Deutschland wünsche ich mir manchmal, Anträge usw. per Internet verschicken zu können, aber so ganz möchte ich eigentlich nicht aufs Briefe schreiben verzichten.

Anstelle von Briefkästen gibt es jedoch noch Postämter, wo Briefe und Päckchen verschickt werden können. Die sind jedoch rar gesät, ich vermute das Zhuhai in etwa so viele besitzt wie Hannover, obwohl es dreimal mehr Einwohner sind. Die Empfangsdame in der Rezeption hat mir dann die Adresse aufgeschrieben. Nach einigen Strapazen bin ich dann aber ganz woanders gelandet, weil der Bus, mit dem ich fuhr, nicht dort hielt, wo ich wollte. Am ander’n Ende der Stadt habe ich es dann aber gefunden: Das Postamt!

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Juchu, Postamt!

Innen drin herrschte ziemliche Leere, die Frau am Schalter hat mir aber sagen können, wie viel Porto ich zahlen muss, mit knapp 70 Cent ist ein Brief sehr günstig. Dann gab es einen Haufen Briefmarken zusammen mit einem Becher Leim, um sie zu befestigen. jetzt bin ich nur noch gespannt, ob auch wirklich etwas ankommt. Und an alle, denen ich Postkarten versprochen habe: Die bekommt ihr ganz, ganz eventuell, wenn ich wieder Lust auf soviel Chaos habe. Sonst eher nicht.

Wir haben im Moment aufgrund eines Feiertages frei und die viele Zeit gestern für einen Ausflug genutzt. Ziel war Kaiping, das ist eine Stadt nördlich von Zhuhai. Also sind wir (die anderen Praktikanten und ich) früh am Morgen aufgebrochen und haben uns in den Bus nach Kaiping gesetzt, der ungefähr 2 Stunden fährt.Dort angekommen gab es erstmal Nudelfrühstück, ehe wir uns ein Taxi genommen haben. Die eigentliche Attraktion ist nämlich nicht Kaiping, sondern die umliegenden Dörfer. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden hier diverse Verteidigungstürme gebaut, die mittlerweile zum Weltkulturerbe gehören. Man fährt also mit dem Taxi ins erste Dorf und von dort aus mit Shuttlebussen weiter in die übrigen.

Gesagt, getan, gegen 10 waren wir im ersten Dorf. Das war durchaus ganz nett anzusehen, auch wenn man den Eindruck hatte, dass die Bewohner eher keine Lust auf Touristen hatten, so finster, wie sie einen teilweise angesehen haben. Also haben wir uns kurz darauf schon in den nächsten Bus gesetzt, um ein Dorf weiter zu fahren. Hier begann dann die eigentliche Besichtigung. Das Dorf war in einer Art Dschungel, von Haus zu Haus führten oft nur verschlungene, gepflasterte Wege, von Bambuspflanzen flankiert. Ehrlich gesagt hatten wir ein wenig mehr erwartet, denn unterm Strich ähnelten sich die einzelnen Häuser sehr. Teilweise hatte ich das Gefühl, dass das Äquivalent in Deutschland wäre, durch ein Dorf zu laufen und Bauernhöfe anzugucken. Aber hübsch war’s dennoch.

Aber es gab ja noch mehr Dörfer! Der Tag konnte nur noch besser werden! Das dachten wir zumindest, als wir uns auf den Weg zum Shuttlebus gemacht haben. Der kam dann auch gegen 15 Uhr und ab da ging der Tag eigentlich bergab. Eigentlich sollte die Fahrt 30 Minuten dauern, aufgrund eines Staus  waren wir jedoch erst gegen halb 5 in der Nähe des zweiten Dorfes. Dort ging es gar nicht mehr voran, sodass wir ausgestiegen und den Rest zu Fuß gegangen sind. Da wir abends jedoch wieder nach Zhuhai zurück wollten, hatten wir bereits die Uhr im Blick. Im Dorf angekommen haben wir dann erfahren, dass der Bus zurück nach Kaiping außerhalb des Dorfes fährt, mittlerweile war es auch schon deutlich nach 5. Also haben wir das Dorf gestrichen und uns auf den Rückweg gemacht. Doch auch vor dem Dorf ging es kaum weiter, sodass wir erneut lange auf den Bus warten mussten. Grund für den Stau war übrigens eine Ampel ca. 5 km die Straße hinunter, die blöd geschaltet hat. Gleichzeitig fahren viele Chinesen extrem egoistisch Auto, sodass selbst bei grüner Ampel kaum jemand über die Kreuzung kam, weil von der überquerenden Seite her alles verstopft war.

Mit Müh und Not haben wir dann den Bus um 19:30 in Kaiping bekommen. Der fuhr auf dem Rückweg leider auch deutlich länger (Ja, Stau!). Mitten in Zhuhai sind wir dann ausgestiegen, quer über die Straße gelaufen und haben uns von da zur Wohnung durchgeschlagen. Die Bilanz des Tages war dann auch ein wenig deprimierend. ca. 4 Stunden haben wir wirklich was gesehen und waren ansonsten nur im Bus oder zu Fuß auf dem Weg zum Bus. Das kann nur besser werden!